Otto Nagel: Mythos vom Berufs- und Ausstellungsverbot in der NS-Zeit?

Mythen und Legenden ranken sich gerne mal um Künstlerbiografien. Gerade erst konnte der Expressionist Emil Nolde den Zusammenbruch seiner Legende feiern. Schon der Kunstkritiker Adolf Behne bezeichnete Nolde 1947 in einer Berliner Tageszeitung als „entarteter ‚Entarteter‘“. Stilisiert zum verfolgten Künstler, Opfer der NS-Kunstpolitik nach seinem Tod 1956.  Auf der anderen Seite Noldes Sympathien für den Nationalsozialismus lange verschwiegen. 2019 ist das Jahr der Zäsur: „Die Ausstellung Emil Nolde – eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus in der Neuen Nationalgalerie Berlin dechiffriert Nolde, sein Verhältnis zum Nationalsozialismus.“ schreibt die Stiftung auf ihrer Webseite. Ein „Neubeginn, um frei – ohne Mythen und Legenden“ jetzt zu forschen. 

Mit der Ausstellung über den Künstler Otto Nagel in Eberswalde im Oktober 2022 lassen Kritiker den Mythos vom Berufs- und Ausstellungsverbot in der NS-Zeit wach werden. Nagel, Kommunist, verfolgt wählte von 1933 bis 1945 die innere Emigration. Trotz Malverbot im Atelier geht der Künstler auf die Straße malt dort seine „Berliner Bilder“. Stellt sich die Frage sind es auch Werke, wie die von Nolde postulierten „Ungemalten Bilder“? 

Rolle von Otto Nagel als Künstler in der NS-Zeit 

Die Rolle von Otto Nagel als Künstler in der NS-Zeit hat die  Kunsthistorikerin Beate Marks-Hanßen bereits 2003 in ihrer Dissertation in den Focus gestellt. An dieser zeigt sich deutlich, was die fehlende Forschung zu Otto Nagels Werk für fatale Konsequenzen hat. Die Autorin hinterfragt den Begriff „innere Emigration“ anhand von 26 Künstlern in der NS-Zeit. Ausgewählt sind die, zu denen „aufschlussreiches, größtenteils bisher unpubliziertes Archivmaterial“ vorlag, wie auch Nagel. Zu zahlreichen bedeutenden Künstlern wie Otto Dix und Emil Nolde lagen „keine oder nicht aussagekräftige Quellen vor“, daher erfolgte keine Untersuchung. In Puncto Nolde ist das fragwürdig. Die Nolde Stiftung Seebüll stellt fest, dass Noldes Haltung im Nationalsozialismus seit den 1990-er Jahren in Beiträgen kritisch reflektiert wurde. Das, auch wenn die Quellen bis 2013 unter Verschluss waren. Jetzt ist eine weitaus umfassendere und tiefgreifendere Forschung möglich.  Die Stiftung hebt den Text von Uwe Danker „Vorkämpfer des ‚Deutschtums‘ oder ‚entarteter Künstler‘? Nachdenken über Emil Nolde in der NS-Zeit“, in: Demokratische Geschichte, 14 (2001), S. 149–188 hervor. 

Noldes Sonderstellung im Nationalsozialismus wäre für die Dissertation durchaus wichtig gewesen. Als Künstler der an das NS-Regime glaubte, als Expressionist und „entarteter Künstler“ mit über 1.000 beschlagnahmten Werken. Im August 1941 aus der Reichskammer der bildenden Künste ausgeschlossen.  Ist es vielleicht so, dass Nolde damit alle anderen Künstler mit ihrer Biografie als Verfolgte Künstler in Frage stellt? Ihre Glaubwürdigkeit so diskreditiert? 

Die Kunsthistorikerin behauptet: „Künstler wie Ludwig Gies, Otto Nagel, Gustav Seitz und Milly Steger passten sich künstlerisch den Forderungen des Staates an. Sie veränderten Stil und/oder Technik ihrer Arbeit, um am Kunstleben des Dritten Reiches partizipieren zu können.“ Sie relativiert ihre Aussage selbst, wenn auch die Künstler dem Regime ideologisch nicht zu stimmten, so waren diese auch nicht kritisch. 
„Lediglich Otto Nagel war trotz künstlerischer Harmlosigkeit wahrscheinlich politisch oppositionell tätig.“ 

Für Otto Nagel sieht die Autorin eine Abkehr von der „gesellschaftskritischen politisch intendierten Malerei“ hin zu Berliner Stadtlandschaften „mit denen er auch Ausstellungen durchführte“. Von daher stellt die Kunsthistorikerin das Malverbot in Frage und vermutet eine Mitgliedschaft in der Reichskulturkammer (RKK), auch ohne Nachweis. So entsteht die Legende über den Künstler Otto Nagel, die Verfolgung in der NS-Zeit korrigiert. 

Nagels Berliner Bilder

Wenige Jahre nach dem diese Aussagen 2006 publiziert wurden, folgt 2012 eine Zuspitzung dessen. Im Katalog zur Ausstellung „Orte und Menschen“ heißt es: „Verblüffend ist hingegen etwas anderes: […] dass die meisten überlieferten Werke Otto Nagels - mehr als 400 von rund 650, also fast zwei Drittel des malerischen Gesamtwerks - in der Nazizeit entstanden.“ Das  Werkverzeichnis der Ölgemälde und Pastelle von 1974 ist hier Grundlage für diese Aussage. Eine nähere tiefgreifende Analyse zu den Werken erfolgt nicht. Weiter ist fraglich wie „ein als Kommunist im Dritten Reich politisch gefährdeter Künstler in dieser Zeit ein solch umfangreiches Werk schaffen konnte.“ Die wohl fehlende Forschung in der DDR damit begründet: „Es mochte nicht so recht ins Bild eines antifaschistischen Künstlers passen, dass dieser ausgerechnet während der NS-Zeit seine produktivste Schaffensphase hatte.“ 

Warum Nagel sich als Kommunist sich dem Regime widersetzen konnte und trotzdem malte, das wäre doch der Ansatz der Forschung. Das Werkverzeichnis zeigt zahlreiche Spuren auf, die es zu verfolgen lohnt. 
Nennt Namen und Hintergründe zum Entstehen der Werke. 

Statt dessen schlagen die Kunsthistoriker ein weiteres Kapitel auf. Zur Otto-Nagel-Ausstellung in Eberswalde 2022 erscheint ein Katalog mit verschiedenen Aufsätzen. Die Biografie im Katalog ist, was die NS-Zeit betrifft, doch etwas zusammen retuschiert. Nur KZ, keine politische Verfolgung als Künstler, keine illegale Malschule 1935 bis 1941. Aber auch der Publizist und Filmemacher verschwindet in der Schublade der Geschichte. So ist es wohl auch nur „Ein nüchterner Blick auf seine innere Emigration (1933 bis 1945)“, wie ein Artikel überschrieben ist. Im „Fazit“ heißt es zur Mitgliedschaft in der Reichskulturkammer: „Ohne eine solche Kammermitgliedschaft hätte Otto Nagel weder malen, ausstellen noch verkaufen können. Belege für eine Mitgliedschaft in der Reichskulturkammer können nach aktuellem Forschungsstand jedoch nicht nachgewiesen werden, wenngleich alle Indizien dafür sprechen, dass Otto Nagel Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste gewesen sein muss.“ 

Was sind „Indizien“? Der Autor nennt wenige Ausstellungen in denen spärlich Nagel Werke zu sehen waren. Dies wäre noch zu erforschen. Warum aber ist nicht aufgeführt, was für den Künstler spricht. Wäre es nicht ein Weg, dass Otto Nagel durch sein großes Netzwerk in der Berliner Kunstszene eine Chance erhielt? Gerade Käthe Kollwitz, die Mitglied in der Reichskulturkammer war und zur Ateliergemeinschaft Klosterstraße gehörte, konnte sicherlich Nagel unterstützen. Auch Sammler wie Franz Worms hatten Bilder von Nagel, sowie Privatpersonen. Der Künstler hätte selbst nicht Einlieferer von Werken bei Ausstellungen sein müssen.  

Kaum ist die Publikation veröffentlicht, folgt die nächste. Der „Initiativkreis Otto Nagel 125“ thematisiert in seiner Broschüre das Leben und Wirken von Otto Nagel. So heißt es in einem Artikel „[…] Machtübertragung an Nationalsozialisten machte den bekennenden Kommunisten und sozial engagierten Künstler zur ‚persona non grata’.“ Trotzdem stellt der Autor fest, dass „über Nagels Leben und Schaffen während des Nationalsozialismus“ vieles „unklar und widersprüchlich“ sei. Wieder steht das Wort „Legende“ im Raum. Mit den Aussagen aus dem Katalog der Ausstellung von 2022 sei es möglich „sich ein differenziertes und nuancenreicheres Bild von Nagels Lage, den Schwierigkeiten und Verfolgungen, aber auch von seinen Zugeständnissen im „Dritten Reich" zu machen.“ Der Autor greift wieder die Aussagen von „künstlerischer Harmlosigkeit“ aus der Dissertation von 2003 auf,  und nennt es nun „Zugeständnisse im „Dritten Reich". Auch, dass Nagel „wahrscheinlich politisch oppositionell tätig“ war wie es noch 2003 hieß, unterstreicht der Autor: „Zumindest pflegte er vermutlich persönliche Kontakte zu linksozialistischen bzw. kommunistischen Widerstandskreisen, auch wenn die Quellenlage dazu unklar bleibt.“ Die umfangreiche Recherche von Hans-Rainer Sandvoß zum Widerstand in Wedding zeigt aber ein anderes Bild. 

Das alles relativiert die Biografie des entarteten Künstlers Otto Nagel. „Den neuen Machthabern blieb er jedenfalls bis zum Ende der nationalsozialistischen Herrschaft grundsätzlich verdächtig.“ führt der Autor weiter aus.  Auch, wenn die Repressionen und Verhaftungen genannt werden, so sei doch der Anlass für Einlieferung und Verhaftung unklar. Der Kommunist Nagel, Mitglied der verbotenen KPD ausgeblendet? Was heißt „ grundsätzlich verdächtig“? Wenige Zeilen zuvor hieß es noch ‚persona non grata’? Wie schon im „nüchternen Blick auf seine innere Emigration“ geht der Autor im weiteren auf die  Mitgliedschaft in der Reichskulturkammer ein. „Ohne sie wäre weder seine Weiterarbeit als Maler noch der Betrieb einer privaten Malschule, die ihm half, sich finanziell über Wasser zu halten, möglich gewesen.“ 

Ein zweiter Artikel über die Jahre nach 1945 versucht das Werk von Otto Nagel zu ergründen. Wieder ist das Werkverzeichnis der Gemälde und Pastelle von 1974 eine wichtige Quelle. 
651 Werke seien verzeichnet. Otto Nagel selbst schreibt 1952 in seiner Biografie, dass im Krieg dreiviertel seiner Bilder verloren gegangen sind. „Die Verluste insgesamt - hochgerechnet auf der Grundlage des Verzeichnisses - betrugen also offenbar rund 1.500 Arbeiten. Von den weit über 2.000 Werken entstand ein Fünftel - etwa 400 - in der Zeit der NS-Herrschaft.“ Da der Autor das kritisch sieht, verweist er auf den Katalog von 2022. Nun liegt eine Untersuchung vor, „die den Mythos vom Berufs- und Ausstellungsverbot Nagels in der NS-Zeit deutlich relativiert.“

Was steht diesen Aussagen gegenüber? 

Zum einen das Werkverzeichnis „Otto Nagel. Die Gemälde und Pastelle“. Eine Kooperation zwischen der Akademie der Künste Ost-Berlin, dem Märkischen Museum und den Erben. Sibylle Schallenberg-Nagel war als Kunstwissenschaftlerin per Arbeitsvertrag maßgeblich beteiligt. Erschienen 1974 macht es nach einer umfangreichen Forschung zu den Bildern das Ausmaß des Verlustes deutlich. Das Werkverzeichnis enthält alle nachweisbaren Gemälde und Pastelle sowie deren erforschte Provenienz. Das heißt Verlust insbesondere in der NS-Zeit, aktueller Besitzer, weitere wichtige Hinweise zum Verbleib. 

Die 651 Werke das sind die Gemälde und Pastelle von Otto Nagel insgesamt. Hier muss nicht hochgerechnet werden, um einen Verlust von 1.500 Werken aus zumachen und ein Gesamtwerk von 2.000 Bildern. 

Schon ein flüchtiger Blick beim blättern durch das überformatige Verzeichnis zeigt, dass bis1974 zahlreiche Bilder wieder gefunden worden. So die über 20 Werke der sogenannten „Sammlung Worms“, die 1970 den Weg zurück fanden. Genauso ist zu lesen, dass sehr viele Bilder aus der NS-Zeit verschollen sind oder gar zerstört wurden. 

Wenn Nagel 1952 schreibt, dass wohl drei Viertel seiner Werke verlorengegangen seien, so ist das eine „gefühlsmäßige“ Äußerung eines Künstlers, was sich mit diesem Zitat untermauern lässt: „Die mir in der Nazizeit zugefügten Schäden sind bei mir nicht so sehr auf meinen Aufenthalt im KZ Sachsenhausen zurückzuführen, sondern vor allem in der Diffamierung als sozialistischer Künstler. Hier habe ich Schläge bekommen, die erheblich sind. Ich bin dadurch nicht nur wirtschaftlichen Dingen ausgesetzt gewesen, sondern als Künstlerpersönlichkeit auch menschlich so stark betroffen worden, dass ich wohl mein Leben lang darunter leiden werde.“ (Otto Nagel verfasst am 3.2.1950, Lebenslauf Anerkennung als Opfer des Nazi Regimes, Akte C Rep. 118-01 Nr. 26459 Landesarchiv Berlin).

Mitgliedschaft in der Reichskulturkammer? 

Dass Otto Nagel Mitglied der RKK gewesen sei, dagegen sprechen drei wesentliche Punkte.

1. Otto Nagel war 1928 Mitbegründer der ASSO, dem Bund revolutionärer bildender Künstler Deutschlands, 1933 von den Nazis verboten sowie Mitglied im Reichsverband bildender Künstler Deutschlands. Am 30. Januar 1933, dem Tag der Machtergreifung durch Adolf Hitler, wurde er zum Vorsitzenden des Reichsverbandes gewählt. Seine Wahl wurde wenig später von den Nationalsozialisten annulliert. Der Verband später aufgelöst, dafür gab es die RKK unter Göbbels.

2. Seit ihrer Gründung 1918 war Nagel Mitglied der KPD und seit frühester Jugend im „Roten Wedding“ politisch aktiv, u.a. war er mit dem Bruder von Karl Liebknecht, Kurt, befreundet.

3. Seit 1925 war Otto Nagel mit einer Russin verheiratet. Die Ehe haben die Nazis später annulliert.

Wie steht es um die Aussage, dass Nagel ohne die Mitgliedschaft in der Reichskulturkammer nicht hätte als Künstler tätig sein können? 

Die Akten der „Reichskammer der bildenden Künste - Landesleitung Berlin“ sind im Landesarchiv Berlin zu finden (A Rep. 243-04) . Im Findbuch, erstellt im März 2006, heißt es, dass nicht alle Kunstschaffenden Mitglied waren: „Die Mitgliedschaft in der Kammer bzw. ihr Ausschluss war das zentrale Instrument der nationalsozialistischen Steuerung des Kunst- und Kulturbetriebs, und einem namhaften Teil der deutschen Kunstschaffenden wurde die Kammermitgliedschaft verweigert.“ Weiter heißt es „So waren allein 326 von 1.016 Kunsthändlern und -verlegern „Abgelehnte bzw. Ausgeschlossene, die ständig überwacht werden“. Selbst wer Mitglied war, wie Käthe Kollwitz oder Emil Nolde, konnte nicht uneingeschränkt ausstellen oder verkaufen. „Die Entscheidung oder Befürwortung derartiger Maßnahmen war Sache der Reichskammer für bildende Künste.“ Die Biografien von Nolde und Kollwitz bestätigen diese Aussage. 

Gehören die Werke von Otto Nagel zu denen, die als „Entartete Kunst“ beschlagnahmt worden? 

In den Aufsätzen finden sich immer wieder Hinweise zur Datenbank „Entartete Kunst“. Wobei eine Zerstörung der Werke in Frage gestellt ist, alles wird nur vermutet. 
Fakt ist, im Beschlagnahmeinventar „Entartete Kunst“ steht zu dem Werken von Otto Nagel „Meine Mutter“ und „Arbeitsnachweis“, das beide im Stadtbesitz Berlin waren. Es erfolgte die Beschlagnahme und mit „Stand der Recherche: 01.09.2020“ steht als „Status: im NS-Inventar als zerstört verzeichnet“. 

Das Werk „Arbeiterbrautpaar“, genannt „Arbeiterpaar“, von Otto Nagel wurde in Stettin im Museum für Kunst und Kunstgewerbe beschlagnahmt „Verlustdatum: 06.08.1937, Status: im NS-Inventar als zerstört verzeichnet, Stand der Recherche: 02.10.2018.“  Zu dieser Aktion 1937 im Museum in Stettin gibt die Publikation „‘Entartete Kunst’ in Breslau, Stettin und Königsberg“, erschienen 2021, umfassend Auskunft. 

Die Datenbank „Entartete Kunst“ stützt sich auf die sogenannte Harry-Fischer-Liste aus dem Victoria & Albert Museum in London, eine Abschrift des originalen NS-Inventars, von denen nur noch Fragmente vorhanden sind. Die Liste ist 1942 am Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda zusammengestellt worden. Diese enthält nur Werke aus Museen und öffentlichen Besitz. Nicht, was z.B. in Ateliers beschlagnahmt wurde. Otto Nagel hatte erst wenige Werke verkaufen können. Nach 1945 kauften Museen in der DDR vermehrt Bilder. Von daher erklärt sich vermutlich die geringe Anzahl an beschlagnahmten Bildern. 

Interessant ist ein weiterer Aspekt, um auf Emil Nolde zurückzukommen. Die Liste sortiert die Bilder nach  X - Werke, die zerstört wurden, V- Verkauf  und T- Tausch. Verkauf und Tausch meist mit Namen des Käufers oder Händlers und Preis. Im Band 2 finden sich für das Städtische Museum in Stettin 307 Werke. Unter der Nr. 219 (7615) steht „Otto Nagel  Arbeiterpaar X“ (um 1927 gemalt, nach Ausstellung 1928 vom Städtischen Museum Stettin angekauft) . Dagegen finden sich unter Nr. 221 bis 227 von Nolde 7 Werke mit „V“,  alle verkauft u.a. Dr. Gurlitt.  

So verweist das Buch über die „Entartete Kunst“ auch darauf, dass Emil Nolde „ohne Zweifel zu den von der Beschlagnahme betroffenen Künstlern mit internationalem Marktwert“ gehörte. Die Diffamierung des Expressionismus’ als „entartete“ Kunst um 1940 war wohl der Grund für Noldes Ausschluss von der Kunstwelt der Nazis. Das zeigt, dass die Beschlagnahme von Bildern durchaus zu differenzieren ist. Auf der einen Seite gab es Künstler, dessen Werke die Nazis zerstörten. Auf der anderen Seite, ging es um Kunst als Ware. 

Zur Forschung über Otto Nagel als in der Nazi-Zeit verfolgter Künstler sei auf zwei wichtige Ansätze verwiesen. 

Die Werke verfemter Künstler aus der Sammlung Gerhard Schneider sind seit Jahren immer wieder Thema bedeutender Ausstellungen mit umfangreichen Publikationen. Gerhard Schneider sieht seine Sammlung als Folge kunstgeschichtlicher Verwerfungen durch politische Zwänge. Die Recherche- und Forschungsarbeit zeigte, dass es die um 1900 Geborenen, die jüngere oder zweite Generation der Moderne, besonders hart getroffen hat. Etwa 2/3 der Künstler wurde das Lebenswerk „aus den Händen geschlagen“ - das durch Bombardierung und Vertreibung.  Der Kunsthistoriker Andreas Hüneke, der sich in der wissenschaftlichen
Arbeit insbesondere der „entarteten Kunst“ widmet, geht in einem Artikel auf das Schicksal der Künstler und ihrer Werke in der NS-Zeit ein. Anders als in der Literatur gab es keine „schwarzen Listen“ der
„entarteten Künstler“. Wichtig ist, das Schicksal und die Handlungen der einzelnen Künstler differenziert zu betrachten. 

Das Werk von Frommhold „Otto Nagel Zeit Leben Werk“ ist immer wieder eine genannte Quelle der analysierten Aufsätze. Daneben ist der Katalog zur Otto-Nagel-Ausstellung in Oberhausen / BRD 1987 eine wichtige Publikation. Die umfangreiche Biografie und Aufsätze geben interessante Ansätze für weitere Forschung. Zumal sich erwähnte und abgebildete Dokumente im dokumentarischen Nachlass von Otto Nagel in der Akademie der Künste finden lassen. 

Dieses erste Statement bedarf weiterer intensiver Forschungsarbeit. Immerhin ist jetzt das Kapitel über das künstlerische und politische Wirken von Otto Nagel in der Zeit des Nationalsozialismus von mir aufgeschlagen worden. 

Zum Thema Otto Nagels Werk in der NS-Zeit ist der Artikel Otto Nagel Werk "Westhafen an der Putlitzstraße" zu empfehlen. Die Galerie Bassange hat im Frühjahr 2023 das Bild zum Verkauf angeboten.

Literatur: 

www.nolde-stiftung.de/der-kuenstler-im-nationalsozialismus/

Dissertation Kunsthistorikerin Beate Marks-Hanßen „Innere Emigration? ‚Verfemte‘ Künstlerinnen und Künstler in der Zeit des Nationalsozialismus“ von 2003, veröffentlicht 2006.

Otto Nagel. Die Gemälde und Pastelle. Bearbeitet von Sibylle Schallenberg-Nagel und Götz Schallenberg. Veröffentlichung der Akademie der Künste und des Märkischen Museums DDR, Berlin 1974.

Otto Nagel: Leben und Werk, Berlin 1952. 

Hans-Rainer Sandvoß: Widerstand in Wedding und Gesundbrunnen, Reihe Berlin , Widerstand 1933 –1945, Hrg. Gedenkstätte Deutscher Widerstand. 

Rosa von der Schulenburg: Otto Nagel. Anmerkungen zu Leben und Werk. In (1894-1967) Orte und Menschen. Ölbilder und Pastelle aus der Kunstsammlung der Künste, Berlin 2012.

Meike Hoffmann, Andreas Hüneke (Hg. / eds.): „Entartete Kunst“ in Breslau, Stettin und Königsberg, 2021.

Michael Krejsa: Otto Nagel — Ein nüchterner Blick auf seine innere Emigration. In: Eckhart J. Gillen: Otto Nagel. Menschensucher und Sozialist, Eberswalde 2022.

Ralf Forster / Jens Thiel „Der Klassenkampf und die Aufgabe der Kunst“  In: Otto Nagel (1894 – 1967). Maler - Publizist - Kulturpolitiker, Hrg. Verein „Freunde Schloss Biesdorf“, Mai 2023.

Wolfgang Brauer: Zwischen den Mühlsteinen. Die Biesdorfer Jahre Otto Nagels, In: Otto Nagel (1894 – 1967). Maler - Publizist - Kulturpolitiker, Hrg. Verein „Freunde Schloss Biesdorf“, Mai 2023.