Die letzte fundierte wissenschaftliche Arbeit zu Otto Nagel verfasste der Publizist Erhard Frommhold in Kooperation mit der Familie. Seine Dissertationsschrift „Otto Nagel. Zeit – Leben – Werk“ erschien als Monografie im Henschelverlag 1974, reich bebildert. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Tätigkeit im Otto-Nagel-Haus konnte Sybille Schallenberg-Nagel nach 1980 nicht weiter bearbeiten. Der dokumentarische Nachlass stand zwar unter dem Kulturschutz der DDR, blieb aber nach der Auflösung des Ateliers unerforscht.
Selbst wenn die Recherche sehr aufwändig ist und war, so ließen sich doch einige Ausstellungen seit 1990 finden, in denen Bilder von Otto Nagel ausgestellt wurden. Leihgeber waren Museen. Auch 2023, nachdem unser Buch „Der Fall Otto Nagel. Kunstraub in der DDR" erschienen ist, konnten wir noch Ausstellungen finden, in der Nagel vertreten war. Somit erhebt dieser kurze Überblick keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
„ArmutsZeugnisse. Die Darstellung der Armut in der Kunst des 20. Jahrhunderts“, Dortmund, Museum am Ostwall, 05.11.1995-31.12.1995
Otto Nagel: „Asylisten“, 1928, Abbildung im Katalog
Sein Modell fand Nagel irgendwo in einer Pennerkneipe, jemand, dem das Leben nichts geschenkt hat. Der Mann mit all dem Entsetzlichen im Gesicht steht zentral in einer Gruppe von Asylisten. 1928 Zeit der Weltwirtschaftskrise. Eins der großen Bilder: 140x100 cm (WVZ 125). Artikel „Meine Waffen: Pinsel, Kohle, Feder, Bleistift sollen hauen und stechen.“ Baluschek, Nagel, Felixmüller „[…] andere Künstler, wie in Berlin z.B. Otto Nagel, führen die Tradition der proletarischen Malerei, die Baluschek in Berlin gegründet hatte, in die Gegenwart weiter. […] Nagel ging in seinem kämpferischen Engagement für die Armen und Ausgebeuteten jedoch über Baluschek hinaus, indem er die gesellschaftliche Wirklichkeit nicht nur parteiergreifend beschrieb, sondern auch politisch interpretierte als eine Welt der Klassengegensätze und des Klassenkampfes, die es mit revolutionärer Kunst zu verändern galt […]“. Zitat Laudatio für Nagel von Zille „[…] das Elend was er sah und sieht, hat ihn zum Maler gemacht, und er klagt an. Alles düster, trüb, grau […].“ Nagel fand über seinen biografischen Hintergrund zur sozialen Thematik seiner Kunst – Beobachtung und am eigenen Leib erfahren, „was es bedeutete, sich materiell stark einschränken zu müssen und der Arbeiterklasse anzugehören.“
„Menschenbilder. Figur in Zeiten der Abstraktion (1945-1955), Kunsthalle Mannheim, 18.10.1998-31.01.1999
Otto Nagel: unter „Arbeiterbildnisse“ Abb. Anilinarbeiter als Bild von 1928, nach 1945 Künstler knüpfte an seine Arbeiterbildnisse der 20er Jahre an
ausgestellt „Junger Maurer“, 1953 „Nagel imitiert hier eine Repräsentationspose, wie wir sie von Portraits junger Adliger aus der Renaissance kennen. Damit „adelt“ er nicht nur die Person selbst, sondern auch ihre Tätigkeit.“
und „Neubauer“, 1949 „[…] weder weisen Attribute noch Ambiente auf seinen Beruf hin, noch sind dem Dargestellten die Mühen der schweren Arbeit abzulesen. […] blickt den Betrachter nicht an, sondern liest eine Zeitung verkörpert somit den neuen Menschentyp des Arbeiter- und Bauernstaates, der auch intellektuell am Aufbau des Landes teilnimmt“
„Nacht über Deutschland. Berliner und Dresdener Kunst zwischen 1930 und 1960 aus der Nationalgalerie Berlin“, Wuppertal, Von der Heydt-Museum, 26.01.2003-30.03.2003
Otto Nagel: „Mutter mit Kind“ 1929, „70. Geburtstag Waldarbeiter Scharf“ 1934, „Berliner Straße im Regen“ 1948/55, „Selbstbildnis mit rotem Schal“ 1949 Abbildungen im Katalog, weiter in Ausstellung „Mein
Bruder, der Tischler“ 1929, „Berliner Norden“ 1938
Bilder aus der sozialkritischen Zeit (1929) aber genauso das „Selbstbildnis mit rotem Schal“ von 1949, das einen selbstbewussten Künstler zeigt (WVZ 595).
Artikel „Deutsche Kunst aus drei Jahrzehnten“ Hans Grundig, Curt Querner, Wilhelm Lachnit und Eugen Hoffmann, Dresden – aus proletarischen Wurzeln und von Lehrer Otto Dix beeinflusst
„Der Widerstand Magie und Gleichnis ist von diesen Künstlern tatsächlich geleitet worden […]. Ähnliches gilt für Otto Nagel, Käthe Kollwitz und Ernst Barlach in Berlin und Güstrow, für deren Kunst das Soziale, aber ebenso die Elementarkraft von Leben und Existenz zum zentralen Moment ihres Schaffens wurde.“
Thema: Leben und Existenz Otto Nagel – Ernst Barlach – Käthe Kollwitz
Artikel über Otto Nagel Doppelseite, Auszug Artikel Otto Nagel „Ein Stück Himmel“ (Herkunft, über August Macke) 1965, Brief Ernst Barlach an Otto Nagel 1934
„Kunst der Weimarer Republik. Meisterwerke der Nationalgalerie Berlin“, Weimar, Neues Museum, 22.08.2004-24.10.2004
„Erstmals sind die Meisterwerke der Kunst der Weimarer Republik aus der Sammlung der Nationalgalerie in einem Sonderband versammelt. Vor dem Hintergrund der ganzen medialen Vielfalt der „Goldenen Zwanziger“ entfaltet sich ein einzigartiger Bildatlas der Kunst mit großen Namen wie Lovis Corinth, Otto Dix, George Grosz, Paul Klee und Rudolf Schlichter und vielen faszinierenden Neuentdeckungen.“
Otto Nagel: „Weddinger Jungen“, 1928, Abbildung im Katalog
Der Künstler zählt mit seinen „Proletenjungen“, wie das Bild auch heißt, zu den Meisterwerken aus der Zeit der Weimarer Republik (WVZ 124). Ein Bild, das später immer wieder ausgestellt wird. Zwei Jungen, gezeichnet vom Leben im Arbeiterviertel Wedding mit fahlem Gesichtern. 91 x 62 cm groß. „Nach abgebrochener Glaserlehre, Zwangskasernierung als Kriegsdienstverweigerer in Köln und kurzzeitiger Beschäftigung bei Bergmann-Borsig schlug Nagel 1921 mit seiner ersten Einzelausstellung die künstlerische Laufbahn ein. Nagel wurde zu einem der produktivsten Physiognomisten seiner Epoche: ‚Meine Porträts malte ich entweder in den Wohnungen der Dargestellten, in den Hinterzimmern von Kneipen oder ich schleppte Modelle in mein Atelier.‘“
„De Max Liebermann a Werner Heldt. Arte berlinés entre 1930 y 1961. Pintura y escultura de la colección de la Nationalgalerie Berlin“, Museo Nacional de Bellas Artes, Buenos Aires, 20.9.2004-17.10.2004
Otto Nagel: „Mein Bruder, der Tischler“ um 1929, „Mutter mit Kind“ 1929, „Der 70. Geburtstag des Waldarbeiters Scharf“ 1934
Werke aus der sozialkritischen Zeit – Wirtschaftskrise, Zeit der Arbeitslosigkeit. Eine Mutter mit ihrem kranken Kind, verdammt zur Hofsängerin für ein paar Groschen zum Leben, im großen Format 120 x 81 cm (WVZ
130). Auch der Bruder Paul einer, wie Millionen andere, der arbeitslos ist. Trotzdem selbstbewusst dargestellt, Größe 82,5 x 61,5 cm (WVZ 141). „Der 70. Geburtstag des Waldarbeiters Scharf“ 1934 ein Bild, das schon
in der DDR beliebt war, verewigt auf einer Briefmarke. Ein alter Mann sitzt mitten im Wald auf einen Sessel und feiert seinen Geburtstag. Der Künstler fängt diesen skurrilen Moment ein, verewigt im einem großem Bild in Öl 100 x 70 cm (WVZ 220).
Zeit im Blick- Felix Nussbaum und die Moderne Ausstellung im Felix-Nussbaum-Haus, 05. Dezember 2004 – 28. März 2005
Jubiläumsausstellung zum 100. Geburtstag von Felix Nussbaum, In der Ausstellung stehen 50 Arbeiten Nussbaums etwa 150 Werken anderer Künstler gegenüber. Nussbaum als Maler des jüdischen Schicksals, sein Werk als „jüdische Kunst" steht den Künstlern der Moderne gegenüber.
Otto Nagel: Selbstbildnis im Atelier, 1935
Im Katalog zur Ausstellung heißt es im Kapitel „Selbst im Blick: „Der kommunistische Maler Otto Nagel präsentiert sich in einer für einen Maler unkonventionellen, proletarisch-bäuerlichen Haltung, mit gleichfalls nicht repräsentativ arrangierten Malutensilien, deren massives Vorhandensein nahelegt, dass in diesem Raum hart gearbeitet wird. Das Bildnis entstand in dem Jahr, nachdem ihm der NS-Staat Malverbot erteilt hatte, und ein Jahr bevor er in das KZ-Sachsenhausen deportiert wurde."
Otto Nagel: Selbstbildnis, 1933
Im Katalog heißt es: „Im „Selbstbildnis an der Staffelei" (1943) zeigt sich Nussbaum wohl entblößt, aber nicht verletzlich. Der wache Blick, zuerst auf sich selbst im Spiegel und nun auf den Betrachter gerichtet, hat an Intensität zugenommen [...]. Ähnlich intensiv , jedoch mit ganz unterschiedlichen Haltungen und Ambitionen, blicken Dix (1926) und Nagel in den beiden hier gezeigten Selbstbildnissen aus dem Bild heraus: Dix mit undurchsichtigem, aber herausforderndem Gesichtsausdruck, und in selbstgewisser Dandypose, Nagel hingegen mit bescheiden zurückhaltender Positur und mit einer fast schon ängstlich wirkenden Freundlichkeit im Blick. Die Intensität der Bildmotive ist bei allen dreien auffällig. [...] Nagel fesselt durch die Intensität der Blicksprache den Betrachter, ohne ihm durch ikonographisches „Beiwerk" Aufschluss über die dahinter liegende Intzension zu geben. Nagels Blick bleibt dauerhaft rätselhaft, Dix mytifiziert das Eigenbild, und Nussbaum will ansprechen, in Kontakt treten [...]"
„Unsere Russen, Unsere Deutschen. Bilder vom Anderen 1800 bis 2000“, Berlin, Schloss Charlottenburg, Neuer Flügel, 08.12.2007-02.03.2008
Otto Nagel: „Saratow II“ 1925, Abbildung im Katalog
Das Bild entstand während der 1. Allgemeinen Kunstausstellung im Januar 1925 in Saratow an der Wolga, Sowjetunion. Otto Nagel fängt eine typische russische Winterszene „Menschen im Gespräch vertieft mit
Pferdeschlitten“ ein.
„Entdeckte Moderne. Werke aus der Sammlung Gerhard Schneider“, 2008-2010
Otto Nagel: „Berliner Straßenszene“, um 1934/38, Öl auf Leinwand, 52 x61 cm, nicht im WVZ
Das Bild ist nicht im Werkverzeichnis. Es gehört zu den wenigen Werken in Öl aus der NS-Zeit. Ähnlich wie das Pastell „Müllerstraße am Wedding II“, 1935 (WVZ 237), „Wochenmarkt am Gesundbrunnen“ in Öl, 1937 (WVZ 315) und das Pastell „Berliner Norden“, 1937 mit ähnlichen Motiv 1938 in Öl „Berliner Norden“ (WVZ 357), zeigt es das Leben im Kiez und auch eine Straßenbahn in der Ferne. Menschen eher skizzenhaft, dunkel als Figuren.
Auffällig beim Bild „Berliner Straßenszene“ ist das recht dominante Ocker – zwei Straßenbahnen, die sich begegnen, und zum Teil die Hauswand. Als Kontrast wählte Nagel einen Himmel, der sich verdunkelt. Auch die Farbe schwarz durchzieht die Szene. Gerhard Schneider sieht seine Sammlung als Folge kunstgeschichtlicher Verwerfungen durch politische Zwänge. Die Recherche- und Forschungsarbeit zeigte, dass es die um 1900 Geborenen, die jüngere oder zweite Generation der Moderne, besonders hart getroffen hat. Die Folgen der Verunglimpfung und Enteignungen der Künstler wirken bis heute. Etwa 2/3 der Künstler wurde das Lebenswerk „aus den Händen geschlagen“ - das durch Bombardierung und Vertreibung. Die Kunst der jüngeren Generation der Moderne geriet nach 1945 zunehmend in Vergessenheit - auch wegen der deutschen Teilung. Die Ausstellung bringt die Künstler wieder in die Öffentlichkeit. (Gerhard Schneider: Dem kulturellen Gedächtnis des 20. Jahrhunderts verpflichtet, in: Entdeckte Moderne. Werke aus der Sammlung Gerhard Schneider, 2008, S. 15-21.)
Der Kunsthistoriker Andreas Hüneke, der sich in der wissenschaftlichen Arbeit insbesondere der „entarteten Kunst“ widmet, geht in seinem Artikel auf das Schicksal der Künstler und ihrer Werke in der NS-Zeit ein.
- anders als in der Literatur gab es keine „schwarzen Listen“ der „entarteten Künstler“
- wichtig ist, das Schicksal und die Handlungen der einzelnen Künstler differenziert zu betrachten: Ist der Künstler der „kunstpolitischen Opposition“ zuzurechnen? Ist er aus der Reichskammer der bildenden Künste ausgeschlossen, hat damit Berufsverbot und Ausstellungsverbot erhalten? Wurde ihm tatsächlich ein Malverbot auferlegt? Ist er aus politischen Gründen eingesperrt worden oder aus künstlerischen Gründen isoliert oder aus rassistischen Gründen ermordet worden? Sind Werke aus Museen entfernt worden?
Salzburg Museum 23. Juli bis 12. Oktober 2008
Lindenau-Museum Altenburg März bis Mai 2009
Kunstmuseum Bayreuth 28. Juni bis 25. Oktober 2009
Stiftung Stadtmuseum Berlin - Ephraimpalais März bis Mai 2010
Solinger Kunstmuseum September bis November 2010
Otto Nagel (1894-1967) Orte – Menschen, Ölbilder und Pastelle aus der Kunstsammlung der AdK, 20.05.2012 bis 01.07.2012, Berlin, Schloss Biesdorf
Die Ausstellung reflektiert eine Auswahl an Werken quer durch seine Schaffenszeit. Im Fokus stehen dabei Porträts und die Berliner Bilder. Insgesamt sind es 26 Ölbilder und Pastelle, restauriert mit finanzieller
Unterstützung durch die Ernst von Siemens Stiftung. Die Bilder der Kunstsammlung stammen aus dem Nachlass von Otto Nagel, die deren Tochter Sybille Schallenberg-Nagel an den Staat DDR gegen Erlass der Vermögens- und Erbschaftsteuer herausgeben musste - die sog. „Schenkung".
„Moderne Zeiten“. Die Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin zu Gast in der Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall, 23.5.2014-1.5.2015
Otto Nagel: „Mutter mit Kind“, 1929, „70. Geburtstag des Waldarbeiter Scharf“, 1934, „Weddinger Jungen“ 1928
Abbildungen im Katalog unter Themenkomplex „Zeitgenossen im Bild“ mit Conrad Felixmüller, Otto Dix, Max Pechstein u.a.
„Surreale Sachlichkeit, Sammlung Scharf-Gerstenberg“, Berlin, Nationalgalerie 13.10.2016-23.04.2017
„Surreale Sachlichkeit gibt es nicht – oder doch? […] Ausstellung wirft einen neuen, durch den Surrealismus geschärften Blick auf das Phänomen der Neuen Sachlichkeit. […] Anfang der 1920er-Jahre waren sie nahezu zeitgleich in Frankreich und Deutschland entstanden: 1924 erschien das erste Manifest der Pariser Surrealisten. 1925 präsentierte die Mannheimer Kunsthalle die neuesten Tendenzen in der deutschen Kunst unter dem Titel ‚Neue Sachlichkeit‘ – und schuf damit den Begriff für ein gesamteuropäisches Phänomen, das noch im selben Jahr als ‚Magischer Realismus‘ bezeichnet wurde.“
Otto Nagel: „Weddinger Jungen“ 1928, Abbildung im Katalog Katalog S. 42
Besonderheit der Ausstellung Verlust der Kindheit „Ein schrecklicher Ernst, ja auch etwas Monströses, eine rätselhafte, unfreie Fremdheit spricht aus diesen Gesichtern und Augen, so als ahnten sie schon das Entsetzen des Jahrhunderts voraus, das vor ihnen liegt. So glaubt man den Blutmai des Berliner Weddings von 1929 schon 1928 von den Weddinger Jungen (Abb. S. 205) ins Auge gefasst, wenn Otto Nagel die Halbwüchsigen teils erschrocken, teils gedrückt auf ein Unbestimmtes außerhalb der Bildgrenze blicken lässt.“
Räume in der Ausstellung: u.a. Stumme Ödnis – sprechende Leere, Der Kopf als Ding, Mensch und Werk, Familienaufstellung, Das monströse Kind
Das monströse Kind: neben den „Weddinger Jungen“ von Otto Nagel zu sehen: Otto Dix „Kinderbildnis“ 1932, Heinrich Ehmsen „Meine Kinder“ 1926, Curt Querner „Arbeiterkind Doris“ 1927, Karl Völker „Knabenbildnis“ 1927
Katalog S. 101: „Die Kinder von Otto Nagels Weddinger Jungen von 1928 und Theodor Rosenhauers Junge im Mantel von 1935 sind diesem Alter entwachsen – doch keineswegs weniger beruhigend. Aus ihren Augen spricht die Erfahrung eines bitteren Lebens, die starke Verfluchtung des Gehweges (bei Rosenhauer) und der schwarz übermalte Kopf eines dritten Jungen (bei Nagel) verleihen den Werken eine unheilvolle Dramatik.“
Otto Nagel Kurzbiografie: Kriegsdienstverweigerer 1918-19 zwangskaserniert, Mitglied Berliner Novembergruppe, Malverbot, KZ 1936-1937, Freundschaft mit Kollwitz und Zille „Nagels künstlerisches Schaffen ist eng mit seinem politischen Engagement für die Sache des Kommunismus verbunden. Hauptmotiv ist die eigene Lebensumwelt des Berliner Arbeiterviertels Wedding, das er in dunklen Farben schildert.“
„Berlin 1937. Im Schatten von morgen“, 04.05.2017 bis 25.02.2018, Berlin, Stadtmuseum / Märkisches Museum
Thema der Ausstellung ist das Leben in der Reichshauptstadt des Jahres 1937 unter der nationalsozialistischen Diktatur. „Zwischen Herrschaftskonsolidierung und Kriegsvorbereitung markiert das Jahr 1937 unter dem NS-Regime eine innen- wie außenpolitisch kurze Phase relativer Ruhe. Dieser vergleichsweise ereignisarme Zeitraum steht im Zentrum einer analytischen Darstellung des Großstadtalltags.“
Artikel „1937 – Das letzte Friedensjahr?“ Alltag in Berlin, Abbildung Otto Nagel Berliner Kneipe „Zur großen Molle“, auch als Pressebild genutzt.
Artikel „Otto Nagel, Selbstbildnis, zwei Stunden nach der Entlassung aus dem KZ, 1937“ mit ganzseitiger Abbildung des gleichnamigen Bildes, von Astrid Homann S. 104-109.
Glanz und Elend in der Weimarer Republik. Von Otto Dix bis Jeane Mammen“, SCHIRN Kunsthalle Frankfurt, 27. Oktober 2017 bis 25. Februar 2018
Die Ausstellung versammelt rund 200 Werke bekannter und wenig beachteter Künstlerinnen und Künstler. Führende Kunstrichtung zwischen 1918 und 1933 ist die Neue Sachlichkeit, die sich durch akkurate, realistische Malweise und sozialkritische Inhalte auszeichnet. Zusammen mit historischen Fotografien, Filmen, Zeitschriften und Plakaten entwirft die SCHIRN ein eindrückliches Panorama der Kunst der Weimarer Republik. Realistische, ironische und groteske Arbeiten verdeutlichen den Kampf um die Demokratie und zeichnen das Bild einer Gesellschaft in der Krise und am Übergang. Die Kunst der 1920er-Jahre unter sozialhistorischem Blickwinkel.
Otto Nagel: Wochenmarkt am Wedding, um 1926 (laut Film auf Webseite, Katalog vergriffen)
Wie beim Bild „Asylisten“ ist in dem Ölbild ein zentrales Motiv, das deutlich aus der dunklen Masse hervor sticht: Mutter mit Kind verkommen zu stumpfen, hoffnungslosen Kreaturen mit blassem fahlen Gesichtern.
(WVZ 108)
„Berliner Realismus – Sozialkritik – Satire – Revolution - von Käthe Kollwitz bis Otto Dix“
1. Berlin, Bröhan-Museum, 22.03.2018-17.06.2018
Artikel „Was ist proletarische Kunst?“: „1924 Ausstellung in der Sowjetunion: Initiiert durch die IHA findet 1924 in Moskau und Sankt Petersburg die „Erste Allgemeine Kunstausstellung“ statt, wobei die Organisation in Deutschland von Otto Nagel, dem Vorsitzenden der Künstlerhilfe, und Eric Johansson übernommen wird.“ Die Otto Nagel Ausstellung „Wedding 1926“ sieht der Autor „als Selbstpositionierung des Berliner Realismus“.
„[...] von Nagel organisierte Ausstellung „Wedding 1926“ […] Er positioniert damit den Berliner Realismus als dritten Weg, engagierte Kunst zu machen, jenseits von Proletkult, Produktivismus und Konstruktivismus auf der einen und herorischen Realismus auf der anderen Seite.“ Zusammen mit Käthe Kollwitz, Hans Baluschek und Heinrich Zille, die das „Leben der Arbeiterschaft und das soziale Elend“ zum Thema der Kunst machten, durch „I. Weltkrieg, Revolution und politischen und sozialen Wirren der Weimarer Republik wird Berliner Realismus noch drastischer. Künstler wie Otto Dix, George Grosz und Otto Nagel präsentieren einen schonungslosen Blick auf die Abgründe in der deutschen Hauptstadt.“
- Otto Nagel: „Weddinger Jungen“ 1928 und „Parkbank“, 1927, Abbildung im Katalog
Die „Parkbank“, 1927 (WVZ 115) gehört neben den „Weddinger Jungen“ zu den Hauptwerken des Künstlers. Immer wieder seit 1928 in der Literatur besprochen und ausgestellt, war es das zentrale Werk im Otto-Nagel-Haus. Das Bild gehört zum großformatigen Zyklus „Aus dem Leben eines Großstadtmenschen“. Schon die Größe von 136,5x193 cm beeindruckt den Betrachter. Alte Menschen auf einer Bank im Park, am Lebensende. Einsamkeit. Die von der Gesellschaft ausgestoßenen Alten. Zwei weitere sitzende Person hat der Künstler übermalt, was dem Motiv erst recht die Leere gibt, die Isolation noch stärker ausdrückt.
2. Käthe Kollwitz Museum, Köln, ab Oktober 2019, verlängert bis 26. Januar 2020
„Der Erste Weltkrieg bedeutet eine drastische Zäsur. Die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts stürzt junge Maler und Graphiker wie Willy Jaeckel, Otto Dix oder George Grosz in existenzielle Erfahrungen, die sie
anschließend in ihren Werken künstlerisch verarbeiten. Diese ›zweite Generation‹ der Berliner Realisten – darunter auch Otto Nagel, Conrad Felixmüller und Werner Scholz – ergreift in der Weimarer Republik nicht mehr nur Partei für den ›kleinen Mann‹, sondern kritisiert mit zunehmend politischer Intention die gesellschaftlichen Zustände. Künstler wie John Heartfield veröffentlichen in neuen Medien wie der Arbeiter-Illustrierten-Zeitung eindringliche Photomontagen und Collagen aus Text und Bild, um politische Entwicklungen zu kommentieren.“
Zwei Hauptwerke des proletarischen Films sind im Rahmenprogramm zu sehen: »Mutter Krausen´s Fahrt ins Glück«, ein Höhepunkt des Weimarer Kinos am Ende der Stummfilmzeit, für den Käthe Kollwitz ein Plakat in einem für ihr Werk außergewöhnlich großen Format geschaffen hat.
Anmerkung: Otto Nagel war neben Käthe Kollwitz einer der Hauptakteure des Films – die Protagonisten waren alle aus dem Wedding mitten im Leben. Auch er hat ein Plakat für den Film erstellt, zu sehen in
der Ausstellung „Käthe Kollwitz und ihre Freunde.“, 26.6.-15.10.2017.
„Die Schönheit der großen Stadt. Berliner Bilder von Gaertner bis Fetting", Ephraim-Palais / Stiftung Stadtmuseum Berlin, 23.02.2028-28.10.2018 (verlängert)
„Spree-Athen“ oder urbane Metropole – Berlin ist vielfältig. Auf drei Etagen sind 120 hochkarätige Bilder aus unterschiedlichen Epochen in 17 thematisch gegliederten Räumen zu sehen.
Otto Nagel: „Blick auf die Grüntaler Straße bei Regen", um 1940 in dem Raum „Im Kiez"
„Nagels Berliner Bilder zeigen die Stadt des Proletariats und des Kleinbürgertums auf sachlich-melancholische Weise. Nichts Romantisches und erst recht nichts Klassenkämpferisches haftet diesen Werken an. Sie sind eine Liebeserklärung an eine Stadt, die dem untergang geweiht ist." Dominik Bartmann
Otto Nagel: „Junger Mauerer", 1953 in dem Raum „Baustelle Berlin"
Otto Nagel: „Berlin 1945 I, 1948/55 in dem Raum „Geschichtslandschaften"
„Dennoch vermeidet er hier jegliches Aufbau-Pathos, schildert vielmehr das mühsame Alltagsleben in Ruinen an einem Regentag. Allenfalls der helle Schein am Ende der Straße, auf den die Passanten zulaufen, verheißt eine bessere Zukunft." Dominik Bartmann
„Berlin. 1912-1932“, Royal Museums of Fine Arts of Belgium, Brüssel, 05.10.2018-27.01.2019
Ein belgischer Blick auf die deutsche Kunstszene und auf eine Alltagsrealität, die von Krise und Utopie, Verwüstung und Euphorie, Elend und Dekadenz geprägt war. Alles beeinflusst vom Wandel. Soziale, politische
und technologische Umbrüche revolutionierten die Nachkriegsgesellschaft und das künstlerische Schaffen. Mehr als 200 bedeutende Kunstwerke u.a. von Otto Dix, Raoul Hausmann, Ernst Ludwig Kirchner, Kasimir
Malewitsch, Aleksandr Rodtschenko, Max Beckmann, George Grosz und Hannah Höch.
Otto Nagel: „Asylisten“ um 1928
Wie schon 1995 in der Ausstellung über Darstellung der Armut in der Kunst, repräsentiert Otto Nagel Verlierer der Weltwirtschaftskrise. Asylisten gezeichnet vom Leben. Das ausdrucksstarke Werk mit seiner Größe von 140x100 cm ein sicher herausragendes Bild.
„Freiheit. Die Kunst der Novembergruppe 1918-1935“, Berlinische Galerie, Berlin, 9.11.2018-11.3.2019
Von 1919 bis 1932 realisierte die Novembergruppe knapp 40 Ausstellungen, veröffentlichte Publikationen und veranstaltete Konzerte, Lesungen, Feste und Kostümbälle. So wurde die Gruppe auf vielen Ebenen zur Kunstvermittlerin der Moderne und sorgte für Gesprächsstoff und heftigen Streit.
Otto Nagel: „Weddinger Jungen“ 1928, Abbildung im Katalog „ausgestellt: Große Berliner Kunstausstellung 1928 Abt. der Novembergruppe Nr. 691; Juryfreie Kunstschau Berlin 1929, Ausstellung Zehn Jahre Novembergruppe, Nr. 870; Ausstellung der Novembergruppe im Verein Berliner Künstler 1931, Nr. 49“
„Anders als die Konstruktivisten bildeten die neusachlichen Malerinnen und Maler keine feste Gruppe und besaßen keine organisierte Struktur. Dieses Dach fanden sie in der Novembergruppe: Conrad Felixmüller, Otto Nagel, Rudolf Schlichter […] und andere hatten dort ihre Auftritte, so heterogen die neusachlichen Ausdrucksformen im Einzelnen auch waren.“
„Die Kunst der Gesellschaft 1900–1945. Sammlung der Nationalgalerie“, Neue Nationalgalerie, Berlin, 22.08.2021 bis 02.07.2023
„Die Neue Nationalgalerie präsentiert nach sechs Jahren sanierungsbedingter Schließung erstmals wieder die Hauptwerke der Klassischen Moderne aus der Sammlung der Nationalgalerie. „Die Kunst der Gesellschaft“
zeigt circa 250 Gemälde und Skulpturen aus den Jahren 1900 bis 1945, unter anderem von Otto Dix, Hannah Höch, Ernst Ludwig Kirchner, Lotte Laserstein und Renée Sintenis. Die in der Ausstellung versammelten Kunstwerke reflektieren die gesellschaftlichen Prozesse einer bewegten Zeit: Reformbewegungen im Kaiserreich, Erster Weltkrieg, „Goldene“ Zwanziger Jahre der Weimarer Republik, Verfemung der Avantgarde im Nationalsozialismus sowie Zweiter Weltkrieg und Holocaust spiegeln sich in den Werken wider.“
- Otto Nagel: „Mutter mit Kind“, 1929, „Weddinger Jungen“ 1928 Abbildungen im Katalog unter Thema „Politik und Propaganda“ „Wie zeigt sich die Idee des Kommunismus in der bildenden Kunst?“ mit Conrad Felixmüller Bild Redner, Otto Rühle , Curt Querner „Der Agitator“ 1931 und Demonstration 1930
„Moderne Zeiten. Industrie im Blick von Malerei und Fotografie“, Bucerius Kunst Forum, Hamburg, 26.6. bis 26.9.2021
Otto Nagel: „Anilinarbeiter“, 1928, Abbildung im Katalog gegenübergestellt Foto Arbeiter an der Maschine, 1926 August Sander.
Der „Anilinarbeiter“ (WVZ 120), mit ‚Anillinprolet O. Nagel 28‘ oben rechts bezeichnet. Ein Arbeiter, vom Leben gezeichnet, ausgemergelt, verarmt. Das Leben durch die tägliche Arbeit in der Chemiefabrik zerstört, das Gesicht aschfahl. Mit dem Foto von August Sander des Arbeiters an der Maschine verstärkt sich der authentische Eindruck des gemalten Anillinproleten. „Außerdem rückten in den 20er und 30er Jahren die soziale Frage und die Kritik an der kapitalistischen Wirtschaftsordnung in den Fokus. Soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit und die Pauperisierung des Proletariats fanden ebenso wie Demonstration und Streik Eingang in die
Bilderwelt, wie Fotografien von Walter Ballhause und August Sander oder das Gemälde von Otto Nagel belegen.“
MEERESRAUSCHEN Malerei und Zeichnungen aus der Sammlung, Kunsthalle Rostock, 21.05.2022 – 26.06.2022
Otto Nagel: „Blick auf Rügen/Vitt“, 1938
Das Ölbild ist rechts unten signiert mit „Otto Nagel, Vitt 38“. Zwischen 1937 und 1938 entstanden in dem Fischerdorf Vitt zahlreiche Pastelle, aber auch einige Ölbilder. Hier, im Exil bei der Familie des Fischers Fred, tauchte Nagel in das Leben am Meer ein. So malte er die Boote am Strand, die Hütten, die Netzflicker, Fischer und auch die Familie von Fred. Über 20 Werke finden sich in der Sammlung der Akademie der Künste.
„Das einzige Gemälde von Otto Nagel (1894-1967) in der Sammlung der Kunsthalle Rostock ist ebenfalls in der Ausstellung zu sehen. Es entstand 1938 in Vitt auf Rügen. Gerade aus dem KZ entlassen und mit Malverbot belegt, begibt sich Nagel zeitweise in die innere Emigration und sucht die Ruhe auf der Insel Rügen.“
„Kaleidoskop Expressionismus – vom Aufbruch in die Moderne zur NS-Verfemung“, Kallmann-Museum, Ismaning, 26. Juni bis 16. Oktober 2022
Die Ausstellung präsentiert Künstler, die von den Nationalsozialisten diffamiert und verfolgt wurden. Die Werke aus der Sammlung von Gerhard Schneider bilden einen Querschnitt der Kunstströmungen zwischen 1910 und 1937 ab: Expressionistische Frühwerke, sozialkritische Großstadtszenen, religiöse Motive, Landschaften, Porträts, karikaturhafte Zeichnungen, viele Druckgrafiken, aber auch Aquarelle, Radierungen und Ölgemälde. Der gleichnamige Katalog ist die nunmehr siebte umfangreiche Publikation zu dem Thema. Der 462-seitige im A-4 Überformat gestaltete Katalog will „die Verwerfungen in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts insgesamt in den Blick rücken.“ Zwei Strömungen sorgten dafür: der Nationalsozialismus und die anschließende Teilung Deutschlands. Auf der östlichen Seite „politisch gewollte Vorgaben“, auf der westlichen „vermeintlich historisch gegebene folgerichtige Entwicklungstendenzen“, wie die Herausgeber im Vorwort aufzeigen. Rasmus Kleine, Leiter des Kallmann-Museums, und der Sammler Dr. Gerhard Schneider sehen heute die Möglichkeit eines „offenen Blicks“ für die „Interpretation der kunstgeschichtlichen Verläufe im 20. Jahrhundert“. In der späten Weimarer Republik war der beginnende Nazifaschismus für die an der Moderne orientierten KünstlerInnnen noch nicht greifbar. „Erst nach der Machtergreifung Adolf Hitlers am 30. Januar 1933 erlebten alle an Weltoffenheit Orientierten ihr böses Erwachen in einem Staat, der sein kleinbürgerliches Denken zum Maßstab aller durchzusetzen begann.“
Otto Nagel ist als Künstler in das Kapitel V „Menschen und Landschaften in der Vielfalt expressiver Sichtweisen zwischen 1925 und dem NS-Kulturbruch“ eingeordnet. Künstler zwischen 1890 und 1905 geboren, eine Generation, die den Ersten Weltkrieg erlebt hatte. Diese haben „[…] erst nach dieser einschneidenden Erfahrung zu einer eigenständigen künstlerischen Sprache gefunden. Eine Vielfalt an künstlerischen Ausdrucksformen, sie lassen sich nicht unter einem Stil fassen „[…] Ein reiches Kaleidoskop expressiv-gegenständlicher Bilder“: Kubismus, früher Expressionismus, Neue Sachlichkeit, „Spiel mit extremen Kontrasten
kräftiger Farben“. Rasmus Kleine stellt in seinem Artikel Nagels „Berliner Straßenszene“ dem Bild von Robert Liebknecht (1903-1994) „Straße in Berlin-Wedding“ gegenüber. Otto Nagel vorgestellt als Künstler, der nach dem Malverbot für das Atelier, die Straße zu seinem Freiluftatelier machte. Hervorgehoben die Freundschaft der beiden Künstler und dass Nagel einige Bilder von Liebknecht aufbewahrte nach dem dieser vor den Nazis 1933 nach Paris floh. Dem Sohn von Karl Liebknecht war Otto Nagel und auch Käthe Kollwitz schon lange verbunden, förderten doch beide dessen künstlerischen Weg.
Otto Nagel: „Berliner Straßenszene“, um 1934/37, Öl auf Leinwand, 52 x61 cm
„[…] der malerische Auftrag der Farbe, die kaum von Konturen begrenzt wird, unmittelbar, doch weniger expressionistisch-frei als bei Liebknecht, wodurch die Motive in der düsteren Atmosphäre des trüben Tages detaillierter ausgestaltet sind.“
Zerrissene Moderne. Die Basler Ankäufe «entarteter» Kunst, Kunstmuseum Basel NEUBAU / 22.10.2022–19.02.2023
Die seit 1933 in Deutschland herrschende NSDAP unterdrückte das freie Kunstschaffen. Tausende Werke, die nicht der Ideologie und Rassenlehre des NS-Staats entsprachen, wurden als «entartet»
angeprangert, 1937 beschlagnahmt und aus deutschen Museen entfernt. Diese Ausstellung berichtet von den Basler Erwerbungen und von Verlusten im Zusammenhang mit der Ächtung
«entarteter» Kunst durch das NS-Regime.
RAUM 3 Deutschland 1938 «Entartete» Kunst II – Verfemt und vergessen
Viele Künstlerinnen und Künstler, von denen 1937 Werke aus deutschen Museen entfernt wurden, stehen erst am Anfang ihrer Karriere. Ihre Kunst spiegelt das Leben der 1920er-Jahre, etwa Mangel und Überfluss im Grossstadtleben, Massenarbeitslosigkeit und politische Radikalisierung. Die Nationalsozialisten zerstören die meisten beschlagnahmten Werke dieser noch relativ unbekannten
Generation, weil sie keine Verwendung dafür haben. Viele Kunstschaffende haben keine Chance, in Deutschland oder gar im Ausland bekannt zu werden, und geraten in Vergessenheit. Ausgewählte Bsp.
Otto Nagel: „Wochenmarkt im Wedding", um 1926, Öl auf Leinwand, 79,5 x 100,5 cm, Akademie der Künste, Berlin, Kunstsammlung, Inventar-Nr.: MA 48
Den Künstler zurück ins Heute holen
„Otto Nagel. Menschensucher und Sozialist“, Museum Eberswalde, 21. Oktober 2022 bis 2. April 2023
Ein Gemeinschaftsprojekt des Kulturamtes der Stadt Eberswalde, der Sachgebiete Museum Eberswalde, Kunst und Kultur sowie der Kleinen Galerie, gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg. Leihgeber ist die Akademie der Künste, wobei gut die Hälfte, d.h. 9 Werke, bereits 2012 ausgestellt waren. „Er ist ein Menschensucher, der sich nicht satt sehen kann an den Eigenarten und Besonderheiten seiner Zeitgenossen.“ so der Kurator Dr. Eckhart J. Gillen in seinem Aufsatz im Katalog zur Ausstellung. „Das Museum setzt eine Reihe fort, die sich mit Künstlern auseinandersetzt, die zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind. Mit dem Kurator Dr. Eckhart Gillen hat die Stadt Eberswalde einen renommierten Experten gewonnen, der sich zusammen mit weiteren Kunstwissenschaftlern dem Wirken Otto Nagels auf allen Ebenen nähert und so nicht nur sein künstlerisches Schaffen, sondern auch den Menschen dahinter neu beleuchtet.“
Angefangen von der „Jungen Arbeiterin“ in Öl 1921/22 bis hin zu den letzten Pastellen 1965 des untergehenden Viertels in Alt-Berlin gibt die Ausstellung einen kurzen Abriss in 19 Werken zum künstlerischen Werk Nagels. Aus der späten sozialkritischen Zeit der 1920er Jahre ist noch der „Anilinarbeiter“ von 1928 – auch ein Prolet – ausgestellt. Weiter zu sehen Porträts und „Berliner Bilder“ aus den 1930er Jahren. Aber auch zwei Werke – in Öl und Pastell – von Vitt, wo die Nagels 1937 bei der Familie von Fred, dem Fischer, Zuflucht fanden. Die Schaffenszeit nach 1945 reflektieren Porträts und zudem Pastelle mit Berliner Stadtansichten Hier ist zwei Pastellen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Sie gehören zu den „Berliner Bildern“, die Otto Nagel mit Repliken versuchte 1954/55 zu ersetzen. Der „Blick auf das Gasthaus „Nussbaum“, um 1954, ist die zweite Replik zum Pastell von 1940 und erste Replik zum Pastell 1941, die in den Kriegswirren verloren gegangen sind. Das Pastell „Bullenwinkel, um 1954, ist die zweite Replik zum Werk von 1941. Aber, auch tragisch, es ist die erste Replik zum Pastell von 1954, 1955 in Warschau ausgestellt, im Werkverzeichnis von 1974 als „Verbleib unbekannt“ angegeben.
(Bernd Schallenberg: Der Künstler Otto Nagel ist zurück. In: artist-otto-nagel.de. 23. Oktober 2022, abgerufen am 31. Oktober 2022)
Seit 1987 gab es zum Leben und Werk von Otto Nagel keine größere Ausstellung. 1994, zum 100. Geburtstag, präsentierte die Landesbank Berlin, einst Berliner Sparkasse, ihre Sammlung im Otto-Nagel-Haus in Berlins Mitte. 2012 gab es im kleinen Rahmen eine Werkschau aus dem Bestand der Akademie der Künste im Schloss Biesdorf. Erst Ende 2022 ist der Künstler wieder mit einer Personalausstellung, wenn auch mit
engen Spektrum und nicht in Berlin, zurück.